Die moderne Forschung macht es möglich: Dank der Archäogenetik, der auf die Vorgeschichte spezialisierten Sparte der Erbgutforschung, wissen wir heute viel mehr über unsere Vorfahren, als noch vor reinigen Jahrzehnten. Zum Beispiel, daß jeder Europäer einige Prozent seines Erbgutes dem Neandertaler verdankt. Oder daß neben dem Neandertaler und dem Homo Sapiens noch sehr lange eine dritte Menschenart existierte: der Denisovaner, der in Ostasien beheimatet war.
Europäer vor 5000 Jahren noch dunkelhäutig ?
Durch die Archäogenetik erfahren wir aber auch Dinge, die lange Zeit als unplausibel und unwahrscheinblich galten. Etwa daß die Europäer vor 5000 Jahren noch dunkelhäutig waren. Dabei ist es keineswegs eine Abneigung gegen die Vorstellung, dass unsere Vorfahren dunkelhäutig waren, als vielmehr der gesunde Menschenverstand, der die Grundlage des Zweifels an dieser Aussage bildet. Sollten unsere Vorfahren über Jahrtausende in einem sonnenarmen Klima mit dunkler Haut nicht nur überlebensfähig gewesen, sondern dem Neandertaler sogar überlegen gewesen sein? Seltsamerweise sind es gerade die kontroversen Schlußfolgerungen der Archäogenetik, die zumeist fast deckungsgleich mit Behauptungen sind, die schon vor dem Zeitalter der Genetik von Vertretern der politischen Korrektheit aufgestellt worden waren. Vor allem in Bezug auf die Begriffe Volk und Rasse, die linken Aktivisten schon lange ein Dorn nicht nur im Auge waren. Da traf es sich doch gut, daß ihre lange Zeit nicht Ernst genommenen Behauptungen nun vermeintlich wissenschaftlich erwiesen wurden. Die Zeitschrift „National Geographic“ etwa frohlockte angesichts der vermeintlichen Tatsache, daß die Genetik, „das Konzept der Rasse zum Gespött“ mache. Denn „Die Merkmale der normalen menschlichen Variation, die wir nutzen, um große, soziale Kategorien der Rasse zu definieren – zum Beispiel schwarz, asiatisch oder weiß – sind meist Dinge wie Hautfarbe, morphologische Merkmale oder Haartextur. Die sind alle biologisch kodiert. Aber wenn man sich die kompletten Genome von Menschen aus aller Welt ansieht, stellen diese Unterschiede nur einen winzigen Bruchteil der Unterschiede zwischen einzelnen Menschen dar. Zum Beispiel gibt es innerhalb Afrikas mehr genetische Diversität als auf der ganzen restlichen Welt zusammen. Wenn man jemanden aus Äthiopien mit jemandem aus dem Sudan vergleicht, unterscheiden sie sich genetisch wahrscheinlich mehr voneinander als von jedem anderen Menschen der Welt.““
Daß jene so lange gepriesene Archäogenetik, wie sie eigene ideologische Überzeugungen stützt, unzweifelhaft eine genaue Zuordnung eines Menschen nicht nur zu einer Rassegruppe, sondern sogar zu teilweise eng verwandten Völkern ermöglicht, wird in der Regel ausgespart. Um so eifriger werden wiederum Behauptungen der Archäogenetik verbreitet, welche die phänotypischen Merkmale unserer Vorfahren betreffen, die ja, zumindest der Behauptung jener Linksideologen zufolge, eigentlich gar keine Rolle spielen sollten. Dieses Tabu gilt offenbar nur dann, wenn politisch unliebsame Botschaften transportiert werden. Daß die Europäer vor 5000 Jahren, zu einer Zeit als in Stonehenge die ersten Steine positioniert wurden und an den Küsten des Kontinentes gewaltige Steingräber errichtet wurden, vollkommen dunkelhäutig waren, wurde dagegen regelrecht zelebriert.
Ideologie statt Wissenschaft
Tatsächlich aber sind die eifrigen Journalisten von Zeit und Co einer Ente aufgesessen, die von eifrigen Ideologen innerhalb der Archäogenetiker-Zunft erfunden worden war. Doch warum konnte diese Falschdarstellungen bis heute fortleben?
Das hat mehrere Gründe: Zum einen liegt diese Aussage auf der erwünschten ideologisch-politischen Linie des Zeitgeistes. Wer die These der Dunkelhäutigkeit unserer jungsteinzeitlichen Vorfahren in Frage stellt, macht sich verdächtig, dem linken Zeitgeist kritisch gegenüber zustehen, möglicherweise sogar selbst ein „Nazi“ zu sein.
Zum anderen ist die Archäogenetik selbst ein sehr komplexes Feld, auf dem jeder Laie leicht ins Straucheln geraten kann. Jeder nicht-Genetiker meidet also auf Grund der Gefahr, sich als Nichtfachmann auf einem fachfremden Gebiet angreifbar zu machen.
Dabei zeigt schon ein oberflächlicher Blick auf die Beweise für die Maixmalpigmentierung der jungsteinzeitlichen Europäer, daß die These nicht stimmig ist. Denn wenn, wie neuerdings behauptet, die Hellfärbung der Haut dadurch entstand, daß einstige Jäger-Populationen zum Ackerbau übergingen und dadurch ihren Vitamin-D-Bedarf nicht mehr über die Jagd decken konnten, stellt sich die Frage, warum dieser Prozeß nicht überall auf der Welt gleichmäßig verlief? Warum sind die Bauern Afrika, in Mittel- und Südamerika oder in weiten Teilen Asiens nicht deutlich heller als ihre jagenden Vorfahren? Und selbst in Afrika unterschieden sich überwiegend vom Ackerbau lebende Populationen nicht signifikant von solchen, die vornehmlich auf die Jagd setzen. Auch zeitlich paßt die These nicht ins Bild. Den die Genetiker selbst haben errechnet, daß die Entstehung der beiden primären Genmarker, die für helle Haut verantwortlich gemacht werden, bereits vor mehr als 12.000 Jahren abgeschlossen gewesen sein muß – also einige Zeit bevor der Frühmensch seinen Speer gegen die Sense eintauschte.
Die Wahrheit über die Hautfarbenvererbung
Alle Indizien weisen darauf hin, daß die Jagd alleine dem Menschenkörper nicht genügend Vitamin-D zuführen konnte. Ja selbst die primäre Ernährung durch Fisch scheint nicht verhindert zu haben, daß hellhäutigere Menschen in Nordeuropa länger lebten und mehr Nachkommen zeugten, wie Funde aus dem schwedischen Motala beweisen. Von den dort aufgefundenen Menschen waren alle hellhäutig und einige zudem blondhaarig und blauäugig. Und daß, obwohl gerade die Menschen im Norden sehr viel mehr Meerestiere verspeisten, als ihre binnenländischen Cousins. Warum aber weisen die meisten Früheuropäer, deren Lebensraum ja ebenfalls nicht gerade sonnenverwöhnt war, nicht die klassischen Genmarker für helle Haut – SLC45A2 und SLC24A5 – auf? Die Antwort ist ebenso einfach wie naheliegend: Weil sie über andere Gene verfügten, die für eine Aufhellung der Haut sorgten und die, anders als SLC45A2 und SLC24A5 noch vom Neandertaler übernommen wurden. Daß dieser nach Jahrzehntausenden der Anpassung an einen eher sonnenarmen Lebensraum eher hellhäutig gewesen sein müssen, ist eigentlich eine Binsenwahrheit, wurde aber zuletzt unter Verweis auf des Fehlen jener SLC-Marker in Frage gestellt. Die Konsequenz, nach anderen Genmarkern für helle Haut bei den Neandertalern zu suchen, kam vielen Archäogenetikern offensichtlich nicht in den Sinn. Erst nach und nach setzt sich die Erkenntnis durch, daß auch andere Genmarker für helle Haut sorgen, zum Beispiel das mehr als 30.000 Jahre alte Gen KITLG, das lange Zeit lediglich als Indikator für helle Haare aufgefaßt worden war. Heute wissen wir, daß dieses Gen entscheidend an der Erwerbung genetischer Voraussetzungen für die Aufhellung der Haut beteiligt gewesen sein dürfte. Noch älter ist das MC1-R-Gen, das lange Zeit ebenfalls nur als Haarfarben-Gen erkannt worden war. Das zwischen 50 und 100.000 Jahre alte Gen trat bei mindestens einem Prozent der Neandertaler auf und verlieh den Trägern rote Haare und der Haut einen blassen Schimmer. Es trat sogar bei Mammuts auf. Trotz dieser neueren Erkenntnisse, werden Menschen, denen die SLC-Gene fehlen als dunkelhäutig dargestellt. Und selbst wo die Genauslesung unvollständig bleibt, werden urzeitliche Verstorbene kurzerhand als dunkelhäutig kategorisiert, da sie einer bestimmten Gruppe zugeordnet werden, die eben als dunkelhäutig gilt – zumeist der Gruppe der Western European Hunter.-Gatherer (Westeuropäischen Jäger – kurz WHG). Wo bleibt dabei die Wissenschaftlichkeit, die eben auch Zurückhaltung in der Deutung bei unsicherer Befundlage einschließt? Sie wird Opfer der ideologischen Prägung, der gerade der Wissenschaftszweig der Archäogenetik ausgesetzt ist. Wie weit der ideologische Irrsinn im wissenschaftlichen Gewand der Archäogenetik reichen kann, beweist ein Pionier der Zunft, der „Entdecker“ der afrikanischen Ur-Eva, Luigi Cavalli-Sforza. In einer Veröffentlichung fordert er unverhohlen die „Vermischung der Völker“, damit sie so werden wie vorgeblich vor 100.000 Jahren: von mehr oder minder brauner Hautfarbe.“ (Luca und Francesco Cavalli-Sforza: „Verschieden und doch gleich.“ Unter: www.spiegel.de/spiegel/print/d-13685039.html. )
Weiterführend:
Dennis Krüger: Archäogenetische Irrwege.
Bildrechte: Schwarze Jägerin: © Brandon Pilche, Wikimedia Commons / Eiszeitliche Fauna Nordspaniens: © Mauricio Antón (Wikimedia Commons)