Filme über Götter und Heroen der Antike erleben seit Jahren eine Renaissance, nicht zuletzt innerhalb der US-amerikanischen Filmindustrie Hollywoods. Auffällig ist dabei vor allem die zunehmende „gendergerechte“ Darstellung der Helden – immer häufiger finden sich neben zumeist südländischen Darstellern zunehmend auch dunkelhäutige Protagonisten. In der Filmreihe „Thor“ (2011 & 2013)) ist es Heimdall, der von einem schwarzen Schauspieler (Idris Elba) verkörpert wird. In der Neuverfilmung des Dauerbrenners „Herkules“ von 2014 übernahm der afro-kanadisch-samoanische Dwayn „The Rock“ Johnson die Hauptolle.
Für die Filme „Kampf der Titanen“ (2010) und „Zorn der Titanen“ (2012) färbte der eigentlich blonde Schauspieler Sam Worthington eigens seine Haare dunkel, um sich äußerlich der verkörperten Heldenfigur Perseus vermeintlich anzupassen. Der Held Theseus im 2011 veröffentlichten Film „Krieg der Götter“ wird vom dunkelhaarigen Henry Cavill verkörpert. 2004 durften demgegenüber die ebenfalls in der griechischen Antike verorteten Spielfilme „Alexander der Große“ (2004) und „Troja“ mit Colin Farrell (Alexander) und Brad Pitt (Achilles) noch blonde Heroen in den Hauptrollen zeigen – freilich nicht ohne kritische Stimmen zu provozieren. So sah sich ausgerechnet ein FAZ-Feuilletonist als vermeintlicher Kenner des Stoffes zu der kritischen Anmerkung veranlaßt, daß „ Achilles mit blonder Mähne eher aus(sähe) wie ein Surfer, der an Land gekommen ist, weil die Ägäiswellen zu kümmerlich waren. Mehr Wikinger als Grieche und in seiner Mimik und Körpersprache ein Mann von heute…“
Blonde Haare bei den antiken Völkern – eine historische Tatsache
Tatsächlich aber wurde Achilles von den antiken Chronisten wirklich als blondhaarig beschrieben. Ebenso Alexander der Große womit „Alexander“-Regisseur Oliver Stone gemeinsam mit seinem Kollegen Wolfgang Petersen („Troja“) zumindest hier nah am Original lag. Auch viele weitere antike Götter und Heroen trugen laut antiker Überlieferung blondes Haar: Theseus, Perseus, Odysseus, Jason mitsamt seiner 50 Argonauten, Herakles, Zeus, Apollon, Ares und viele weitere.
Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich der eigentlich für seine historische Geographie bekannte Historiker Wilhelm Sieglin (1855-1935) die Mühe gemacht, alle verfügbaren antiken Textstellen über die Haarfarbe von Protagonisten aus dem Altertum zusammenzustellen und auszuwerten. Dabei kam Sieglin zu dem Schluß, daß von 747 Personen, Göttern und Heroen, die er für die gesamte antike Überlieferung ausgewertet hatte 586 als blond beschrieben wurden. Auffällig auch: Ausschließlich alle 18 erwähnten Germanen und Gallier wurden als hellhaarig beschrieben, ebenso 17 von 19 Thrakern, 7 von 8 Illyrern und 4 von 6 Skythen. „Die Bewohner der Balkanhalbinsel und des südlichen Rußlands, die Illyrer, Dalmater, Thraker und Skythen“, so Sieglins Schlußfolgerung, „waren im Altertum blond.“
Überraschen dürfte den nicht mir der Geschichte des Indogermanentums vertrauten Leser die Tatsache, daß auch eine nicht unerhebliche Zahl von Indern und Persern blond war. Der Alexander-Sarkophag etwa bildet sowohl Makedonen als auch ihre persischen Gegner mit blonden oder roten Haaren ab. Dies erscheint umso erstaunlicher, als 331 die Zeit der Einwanderung der zumeist blonden Indogermanen bereits mehr als 1000 Jahre zurücklag. Sieglin ermittelte jeweils 6 von 8 genannten Persern, Parthern und Indern als blond.
Auch aus Nordafrika berichten antike Chronisten vom vermehrten Auftreten heller Haare. Der Autor zitiert etwa den Chronisten Prokop (bellum Vandalis II, 13, 29), der versicherte, von einem einheimischen Fürsten die Kunde vernommen zu haben, daß südlich des Auresgebirges (im südlichen Algier) eine Völkerschaft lebe, „die nicht wie die Maurusier schwarze, sondern ganz weiße Haut und blonde Haare habe“. Auch der von Sieglin herangezogene Skylax (peripl. 110/93 Fabr.) spricht von einem Volke an der Kleinen Syrte, das „insgesamt blond und sehr schön“ sein soll, und Kallimachos (hymn. 2, 86) besingt den fröhlichen Tanz der Kyrenäer mit „den blonden Libyerinnen“ der Umgebung. Diese und die westlich Ägyptens sitzenden Adyrmachidai bringt Sieglin treffend mit den nordischen Seevölkern in Verbindung, „die im 13. und 12. Jahrhundert nicht nur Ägypten, sondern auch die Nordküste Libyens heimgesucht haben“.
Blondhaarige als Herrenschicht
Auch wenn sonstige körperliche Eigenschaften bei der Zusammenstellung meist unberücksichtigt blieben drängt sich eine Schlußfolgerung auf: Die Herren- oder Adelsschicht vieler antiker Völker stammte aus dem Norden Europas. Zwar hält auch Sieglin irrtümlich die russische Steppe für den Ursprungsraum der Vorfahren der Indogermanen,1 jedoch räumt auch er ein, daß die blonde Haarfarbe immer weiter abnähme, je weiter man sich vom Norden Europas entferne. Entsprechend bringt er ein erhaltenes Fragment eines gewissen Adamantios, der schrieb: „Es ist schwer, eine genaue Charakteristik der einzelnen Völker zu geben, da viele Mischungen vorliegen; z. B. gibt es Syrer in Italien, Libyer in Thrakien und andere in anderen Ländern. Für gewöhnlich sind die Nordländer hochgewachsen, blond, hellhäutig, haben glatte Haare und blaue Augen. — Die Südländer dagegen haben schwarze, krause Haare und schwarze Augen.“
Sowohl in Griechenland als auch in Italien erkennt Sieglin eine ursprüngliche helle Herrenschicht:
„In Hellas war die Herrenklasse also blond. Als die Hellenen um die Wende des 3. und 2. Jahrtausends in das nach ihnen benannte Land eindrangen, trafen sie eine dunkelhaarige Urbevölkerung an, die, nach den zahlreichen gemeinsamen Orts-, Fluß- und Bergnamen zu schließen, der westkleinasiatischen, insbesondere der karischen nah verwandt war.“
In Italien machten sich die blonden Eroberer nach Sieglin zu den Herren dort wohnender Ligurer. Im frühen Rom dominierten Blonde die Adelsschicht, eine große Zahl von römischen Familien trug Beinamen wie Flavii, Flaviani, Rufi, Rutilii und ähnliche, die alle auf das helle Haar ihrer Träger verwiesen. „Aber weil seit dem Jahr 445 Ehen zwischen Patriziern und Plebejern gesetzlich gestattet waren“, so das Fazit Sieglins, „fingen damals schon Blonde und Nichtblonde an, sich zu vermischen. Kinder aus solchen Verbindungen begannen dunkelhaarig zu werden. Da diese Eigenschaft aber seit alters als das untrügliche Zeichen minderwertiger Geburt galt, finden wir schon in der Zeit des alten Cato römische Frauen, denen der Schmuck aristokratischer Haare versagt war, bemüht, dem Fehler durch künstliche Mittel abzuhelfen. … Um vornehm zu erscheinen, mußte man eben blond sein, und dies Gesetz galt als so selbstverständlich, daß Dichter wie Ovid, Horaz, die selbst dunkelhaarig waren, den Heroen und Heroinnen, die sie schilderten, fast ausnahmslos blonde Haare zuschrieben, selbst Barbarinnen wie Dido, Kirke, Andromeda, weil sie königlichen Stammes. Der Wunsch, blond zu sein, war besonders gestiegen, als die seit der Mitte des 2. Jahrhunderts (gleich nach Cato) einsetzende Verödung Italiens und die gleichzeitig ins Ungeheure gesteigerte Einfuhr von Sklaven der verschiedensten Nationalität das Mißverhältnis in der Zahl der hell- und dunkelfarbigen gewaltig hatte anwachsen lassen.“
„Die neue Blüte“, so ein römischer Chronist nach dem Sieg gegen die Goten im 5. Jahrhundert, „soll sich äußerlich darin zeigen, daß Rom wieder blond wird.“
Allerdings, so Sieglin weiter, hatte „die Größe Roms mit den Haaren seiner Bürger nichts zu tun, sowenig wie heutzutage ein schwarzhaariger Deutscher ein weniger echter Germane zu sein braucht als ein blonder. Dennoch steckt in dem Wort etwas Wahres. Die Hoffnung der Patrioten auf einen neuen Aufstieg Roms war freilich trügerisch. Echte Römer, die ihn hätten herbeiführen können, gab es schon lange nur noch in geringer Zahl. Das Gebäude, das einst mit bewundernswerter Kraft errichtet worden, war seiner Fundamente beraubt. Daß es dabei keine Blonden mehr gab, war nur ein äußeres Zeichen für den Verfall. … Das Volk, das einst imstande gewesen, die punischen Kriege zu führen und die fürchterliche Katastrophe von Cannae in beispiellosem Heldentum zu überwinden, war nicht mehr da.“
Damit wird deutlich: Die Blütezeit war verbunden mit blonden Haaren und wurde in der Antike durch Germanen verkörpert, obgleich es auch damals schon eine gewisse Anzahl dunkelhaariger Germanen gegeben haben muß.
Woher stammen die blonden Haare ursprünglich?
Die Genetik verfügt heute über Möglichkeiten, die Farbe der Haut der Haare und der Augen lange verstorbener Menschen anhand von festgestellten Genen zu eruieren. Das früheste Auftreten der blonden Haare wurde für eine vor etwa 16.700 Jahren verstorbene Frau nachgewiesen. Die 2014 beim russischen Afontova Gora entdeckte Tote wies demnach ein rs12821256-Allel auf, das bei Europäern – neben zwei weiteren Genen – für blonde Haare verantwortlich zeichnet. Die von der Mehrheit der Genetiker gezogene Schlußfolgerung, derzufolge sich die blonden Haare aus der russischen Steppe nach Europa ausbreiteten, ist dennoch falsch. Denn biologisch, das ist mittlerweile wissenschaflich unumstritten, kann die Hellfärbung der Haare gemeinsam mit der Depigmentation der Haut nur dort entstehen, wo es an Sonneneinstrahlung mangelt.Wenn es in einem solchen Gebiet zusätzlich nicht zu kalt ist, bilden sich auch helle, also blaue Augen aus. Ein solches Gebiet ist vornehmlich im Norden Europas zu suchen, wo die Kombination eines gemäßigten Gebietes mit wenig Sonne vorzufinden ist. Vor etwa 18.000 Jahren bildete sich nach dem Eisrückgang zudem ein Gebiet, in dem Menschen abgeschlossen von äußeren Einflüssen über einen längeren Zeitraum die beschriebenen Körpermerkmale ausbildeten: Das Doggerland. Und tatsächlich finden sich im Norden Europas auch die ersten Menschen, die helle Haut, blonde Haare und blaue Augen vereinigten: Bei fünf Individuen aus der Zeit um 6000 v. Chr., die im schwedischen Motala entdeckt wurden, konnte die Kombination dieser körperlichen Merkmale erstmals nachgewiesen werden.2 Neuere Forschungen sprechen daher dafür, daß schon früh Menschen, die diese Merkmale aufwiesen, in andere Teile der Welt aufbrachen und dort für eine weitere Verbreitung dieser Eigenschaften sorgten.
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1 Sieglin folgt hier einer Anregung des Geographen Friedrich Ratzel (1844-1904), der in Südrußland für die Eiszeit ein vom Schwarzen Meer und Eismassen umschlossenes Isolat ausgemacht haben wollte, das Sieglin für die Herausbildung der nordischen Rassemerkmale in Anspruch nimmt. Allerdings erwies sich dieses Isolat für die in Betracht kommende Zeit nach 40.000 v. Chr. als nicht existent.
2Genetisch werden die Menschen von Motala, deren männliche Haplogruppe als I2 identifiziert wurde, als Scandinavian Hunter-Gatherer (SHG) bezeichnet. Sie sollen eine Mischung aus Eastern-hunter-Gatherer (EHGs) und Western-Hunter-Gatherers (WHG) darstellen. Erstere wiesen zumeist elle Haut und braune Augen, letztere oft dunklere Haut mit blauen Áugen auf.