Die Idee, daß die Indogermanen aus Nordeuropa stammen, kam erstmals Ende des 17. Jahhunderts auf und war verbunden mit dem Namen Olof Rudbeck (d. Älteren). Doch erst Ende des 19. Jahrhunderts nahmen vor allem deutsche Gelehrte den verschütteten Faden wieder auf und untermauerten diese Idee mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen der Sprachforschung, der noch in den Kinderschuhen steckenden Archäologie sowie der noch jungen Rassenkunde.
Neben Karl Penka ist hier der 1839 im brandenburgischen Zielenzig geborene Ernst Krause zu nennen, dessen Geburtstag sich am 22. November zum 185. mal jährte. Nach abgeschlossener Apotheker-Lehre und Erlangung des Apotheker-Staatsexamen verfaßte Krause für Zeitungen und Journale, darunter die Gartenlaube, Gegenwart, Prometheus, Unsere Zeit, Über Land und Meer, die Leipziger Illustrierte Zeitung, die Tägliche Rundschau und die Vossische Zeitung. Daneben veröffentlichte er eigene Bücher über die „Naturgeschichte der Gespenster“ und über Botanik. Nach Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 als Stabs-Apotheker, wurde Krause 1874 auf Antrag an der Universität in Rostock mit seiner 1866 veröffentlichten Schrift Die botanische Systematik in ihrem Verhältnis zur Morphologie promoviert. Er gründete auf Anregung Haeckels 1877 die Zeitschrift Kosmos. Zeitschrift für einheitliche Weltanschauung auf Grund der Entwicklungslehre in Verbindung mit Charles Darwin und Ernst Haeckel sowie einer Reihe hervorragender Forscher auf den Gebieten des Darwinismus.
Im Auftrag des Vereins für die deutsche Literatur schrieb Krause eine populäre, darwinistisch geprägte Schöpfungsgeschichte. Das Buch erschien unter dem Pseudonym Carus Sterne und unter dem Titel Werden und Vergehen im Jahr 1876 und erlebte bis 1905 sechs Auflagen.
Seit dem Beginn der 1890er-Jahre befaßte sich Krause der germanischen Vorgeschichte und veröffentlichte zwei beachtenswerte Werke: „Tuisko-Land – der arischen Stämme und Götter Urheimat. Erläuterung zum Sagenschatze der Veden, Edda, Ilias und Odyssee“ (Glogau 1891) sowie „Die Trojaburgen Nordeuropas. Ihr Zusammenhang mit der indogermanischen Trojasage von der entführten und gefangenen Sonnenfrau“ (Glogau 1893). Im erstgenannten Werk, dem dieser Auszug entnommen ist, führte er mit Hilfe der jüngste wissenschaftlichen Erkenntnisse den Nachweis, daß sich die hellhäutigen blonden Indogermanen („Arier“) in Nordeuropa herausbildeten, und zwar als „die blondeste Rasse Europas… zugleich und seit Urzeiten die im Wuchse größte und fruchtbarste von allen“, wie der Autor konstatierte. „Wenn wir uns irgend einen Begriff von der Entstehung der Menschenrassen machen sollen, so Krause zur Begründung, „leiten uns alle Erfahrungen dahin, daß sie von einem gewissen Himmelsstrich, Klima, Bodenbeschaffenheit, Nahrung u.s.w. hervorgebracht wurden, und daß diese bestimmte Zone auch in der Folge, wenn nicht gewaltsame Veränderungen eintreten, dasjenige Land bleiben wird, wo die ihm angehörige Rasse am besten gedeiht.“
Aufgrund ihres „seit Urzeiten betätigten Wandertriebes“ gelangten die Indogermanen in den Süden und Südosten, wo sie sich teils mit der Urbevölkerung vermischten oder im Laufe der Jahrhunderte zugrunde gingen. Einige Stämme jedoch, so der Autor, „haben sich oasenhaft an manchen Punkten … erhalten, und zwar meist dadurch, daß sie sich ins Gebirge zurückzogen, dessen Klima dem heimatlichen näher stand, und von Vermischung mit der dunklen, sie umwohnenden Rasse zurückhielten.“ Als Beispiele nennt Krause die Osseten des Kaukasus, das Bergvolk der Kurden, die Kafirs oder Siah Posch aus dem afghanischen Hochland sowie die Kabylen des Atlas-Gebirges.
Unterstützung fand der Biologe in der Sprachforschung, denn „…nach der Gemeinsamkeit der Wortwurzeln zu schließen, sind den arischen Völkern der ältesten Zeit nur solche Tiere (Bär, Wolf) und Pflanzen (Birken, Buchen) bekannt gewesen, welche in der gemäßigten Zone und zum Teil nur in Nordeuropa zu Hause sind, während sich eine Bekanntschaft mit der Tier- und Pflanzenwelt des südlichen Asiens, mit Löwen, Tigern und Palmen, nur bei dem iranischen Zweige der indogermanischen Familie nachweisen lasse.“
„In Indien“, so KRause weiter, „nahmen natürlich die weißen Eroberer und Krieger die oberste Kaste ein, und derselbe Vorgang scheint auch in Nord- und Südeuropa sehr oft stattgefunden zu haben; denn auch hier unterwarf die aus dem Norden kommende hochgewachsene weiße Rasse sehr oft die ‚dunklen Zwerge‘, deren Land sie eroberte. So führt z. B. Tacitus (Germania c. 43) die Arier als eins der wildesten und mächtigsten Völker Norddeutschlands an und schreibt ihm eine nächtliche Angriffsweise mit schrecklich bemalten Gesichtern zu, der niemand widerstehen könne. Seine Schilderung erinnert lebhaft an Odins wilde Jagd. Das vollständigste Gegenstück zu dem Auftreten der Arier in Indien lieferten aber später die Longobarden in Italien, sofern sich ihre Freien im Gegensatz zu den Leibeigenen als Arimanni, Armanni oder Germani bezeichneten, was demnach gleichbedeutende Wörter wären. Das ganze Land nannte sich auch Arimannia. Dieser Vorgang war aber nur eine Wiederholung dessen, was schon in vorgeschichtlicher Zeit geschehen; denn der Name der Römer Romani scheint nach Penka ebenso auf eine alte Grundform Aramani oder Ariomani zurückzuführen, wie der Name der Stadt Rimini auf das alte Ariminum, eine Ansiedelung blonder Leute. Für diese Ableitung des Namens der Römer von Ariomani scheint mir namentlich zu sprechen, daß sie sich selber unter diesem Namen gerade wie bei den indischen Ariern und Longobarden ihren Leibeigenen gegenüberstellten. Denn ihr Name verna für den letzteren bedeutet doch wohl wieder den Farbigen. Als Seitenstück dazu ist die gallische Völkerschaft der Arverner (jetzt Auvergner) zu nennen, deren Name als Weißfarbene zu deuten ist.“
Als scharfsinnig erweist sich auch Krauses Erörterung des Verhältnisses zwischen Herrenschicht und unterworfener Bevölkerung in Mitteleuropa:
„Soviel ist sicher, und die etwas jüngeren Funde aus der La Tene-Zeit (aus den Pfahlbauten von La Tene am Neuenburger See) bestätigen es weiter, daß dem Pfahlbauer schon damals ein wohl entwickelter Führer- und Kriegerstand, der ein fortgeschrittenes Waffenhandwerk beschäftigte, schützend zur Seite stand. Vielleicht waren das Krieger aus arischem Stamm, während unter der Ackerbau treibenden Bewohnerschaft Kurzschädel schon in den ältesten schweizerischen Pfahlbauten, die noch der späteren Steinzeit angehören, nach Virchow das zweifelloseste Übergewicht behaupten; wobei aber zu beachten ist, daß die arischen Herren vielleicht ihre Leichen verbrannten, so daß das Vorwiegen der begrabenen Kurzschädel nur scheinbar wäre. Das Forschungsmaterial, das die Pfahlbaufunde nach dieser Richtung hin liefern, ist nicht gerade bedeutend, indessen läßt es soviel erkennen, daß Langschädel in diesen Ansiedelungen erst später wieder zunehmen; es entstand eine Mischrasse, in der zeitweise, namentlich in der Bronzezeit, das letztere Element im Übergewicht war, während heute in Südösterreich, Süddeutschland, der Schweiz und Frankreich das dunkle, kurzköpfige Element das Feld behauptet hat. ich glaube, wie gesagt, nicht, daß die Arier ihnen den Ackerbau gebracht haben, der sich vielmehr naturgemäß aus ihrer althergebrachten Viehzucht entwickeln mußte; aber sie lieferten ihnen ein anderes, nicht weniger wichtiges Element für die Erstarkung ihrer Gemeinwesen, Jäger, die das Wild ausrotteten, Krieger und Beschützer, und vor allem Herren und Anführer um Kriege.“
Krauses Fazit:
„Im Wesentlichen war es überall die der arischen Rasse eigene Willenskraft und der vor keinem Hindernis zurückschreckende Unternehmungsgeist, der ihr die Herrschaft über die oft an Kultur, nicht selten an Erfindungsgabe überlegenen dunklen Rassen sicherte.“
Die heutige Forschung zeigt, daß Krause mit seinen Erkenntnissen wesentlich näher an der Realität lag, als die damaligen Fachgelehrten, die Krauses Arbeiten seinerzeit fast einhellig ablehnten.
Ernst Krause: Die Urgeschichte der Arier kaufen